Die steigende Kaiserschnittrate und die Frage der Wiederholung
Der Kaiserschnitt, medizinisch als Sectio caesarea bekannt, ist ein lebensrettender chirurgischer Eingriff, der sowohl für die Mutter als auch für das Kind in bestimmten Situationen unerlässlich sein kann. Weltweit steigen die Kaiserschnittraten kontinuierlich an, was dazu führt, dass immer mehr Frauen mit der Frage konfrontiert werden: wie viele kaiserschnitte kann man haben? Diese Frage ist komplex und es gibt keine einfache pauschale Antwort, da sie von zahlreichen individuellen Faktoren, der medizinischen Vorgeschichte und dem jeweiligen Gesundheitszustand der Frau abhängt. Während viele Frauen nach einem Kaiserschnitt problemlos weitere Kinder bekommen können, gibt es medizinische Grenzen und erhöhte Risiken, die mit jeder weiteren Operation verbunden sind.
In Deutschland liegt die Kaiserschnittrate laut Statistischem Bundesamt seit Jahren bei über 30%, in einigen Regionen sogar noch höher. Dies bedeutet, dass eine beträchtliche Anzahl von Frauen bei späteren Schwangerschaften bereits einen oder mehrere Kaiserschnitte hinter sich hat. Die Entscheidung für oder gegen einen weiteren Kaiserschnitt ist eine, die sorgfältig mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin abgewogen werden muss, um die bestmöglichen Ergebnisse für Mutter und Kind zu gewährleisten und potenzielle Komplikationen zu minimieren.
Medizinische Risiken bei wiederholten Kaiserschnitten
Mit jedem zusätzlichen Kaiserschnitt steigt das Risiko für bestimmte Komplikationen. Der Hauptgrund hierfür ist die Narbenbildung an der Gebärmutter. Während die Gebärmutterwand nach einem Kaiserschnitt heilt, entsteht Narbengewebe, das weniger elastisch ist als das ursprüngliche Muskelgewebe. Dieses Narbengewebe kann bei zukünftigen Schwangerschaften oder Geburten eine Schwachstelle darstellen. Die häufigsten Risiken sind:
- Plazentationsstörungen: Das Risiko für eine Plazenta praevia (Vorderwandplazenta) oder eine Plazenta accreta/increta/percreta steigt signifikant. Bei einer Plazenta accreta wächst die Plazenta abnorm tief in die Gebärmutterwand ein und kann sich nach der Geburt nicht vollständig lösen, was zu massiven Blutungen und in extremen Fällen zum Entfernen der Gebärmutter (Hysterektomie) führen kann. Studien zeigen, dass das Risiko für Plazenta accreta nach einem Kaiserschnitt bei etwa 0,2%, nach zwei bei 1,5% und nach drei bei über 4% liegen kann.
- Gebärmutterruptur: Obwohl selten, ist das Risiko eines Risses der Gebärmutter (Uterusruptur) entlang der alten Narbe bei einer späteren vaginalen Geburt (VBAC - Vaginal Birth After C-section) erhöht. Dieses Risiko steigt, wenn mehrere vorherige Kaiserschnitte stattgefunden haben.
- Verwachsungen (Adhäsionen): Bei jeder Bauchoperation können sich Verwachsungen zwischen Organen bilden. Multiple Kaiserschnitte erhöhen die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß solcher Verwachsungen, was die Komplexität und Dauer nachfolgender Operationen erhöhen und zu Schmerzen oder Darmproblemen führen kann.
- Blutverlust und Infektionen: Jeder chirurgische Eingriff birgt das Risiko von Blutverlust und Infektionen. Bei wiederholten Operationen kann dieses Risiko akkumulieren oder die Komplikationen schwerwiegender ausfallen, auch aufgrund von Verwachsungen, die die Operation erschweren.
- Längere Genesungszeit: Der Körper benötigt nach jeder Operation Zeit zur Heilung. Multiple Kaiserschnitte können die Genesung verlängern und intensiver gestalten.
Individuelle Faktoren und die Rolle des Arztes
Es gibt keine feste "magische Zahl" für die maximale Anzahl von Kaiserschnitten. Während viele Ärzte bei zwei bis drei Kaiserschnitten zur Vorsicht raten und individuelle Bewertungen vornehmen, gibt es dokumentierte Fälle von Frauen, die vier, fünf oder sogar mehr Kaiserschnitte hatten. Solche Fälle sind jedoch Ausnahmen und erfordern eine extrem engmaschige medizinische Überwachung sowie eine sehr sorgfältige Abwägung der Risiken und Vorteile.
Die Entscheidung, wie viele Kaiserschnitte eine Frau haben kann, hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab:
- Gesundheitszustand der Mutter: Vorerkrankungen, die allgemeine körperliche Fitness und die Fähigkeit zur Wundheilung spielen eine entscheidende Rolle.
- Verlauf der vorherigen Kaiserschnitte: Gab es Komplikationen wie starke Blutungen, Infektionen oder schwierige Wundheilung? Die Art des Schnitts (quer oder längs) an der Gebärmutter kann ebenfalls relevant sein, wobei der klassische Längsschnitt mit einem höheren Risiko für Rupturen verbunden ist.
- Zeit zwischen den Schwangerschaften: Ein ausreichender Abstand zwischen zwei Geburten, idealerweise mindestens 18 bis 24 Monate, ermöglicht der Gebärmutternarbe eine optimale Heilung und reduziert das Risiko von Komplikationen in der folgenden Schwangerschaft.
- Grund für die vorherigen Kaiserschnitte: War der erste Kaiserschnitt aufgrund einer vorübergehenden Situation (z.B. Beckenendlage, Querlage) oder aufgrund einer wiederkehrenden Ursache (z.B. enges Becken, bestimmte chronische Erkrankungen der Mutter)?
- Wünsche der Patientin: Die Präferenzen und Ängste der Frau sind ein wichtiger Bestandteil der Entscheidungsfindung, müssen jedoch im Kontext der medizinischen Machbarkeit und Sicherheit betrachtet werden.
Ein ausführliches Gespräch mit einem erfahrenen Gynäkologen ist unerlässlich. Er kann die individuelle Situation bewerten, Ultraschalluntersuchungen der Gebärmutternarbe vornehmen und auf Basis der medizinischen Vorgeschichte eine fundierte Empfehlung aussprechen.
Planung und Management nach multiplen Kaiserschnitten
Wenn eine Frau nach mehreren Kaiserschnitten erneut schwanger wird, ist eine besonders sorgfältige pränatale Betreuung erforderlich. Die Schwangerschaft wird oft als Risikoschwangerschaft eingestuft. Dies beinhaltet regelmäßige Ultraschalluntersuchungen zur Überwachung der Plazentaposition und zur Beurteilung der Gebärmutterwand im Bereich der Narbe. Auch die Möglichkeit einer Anämie (Blutarmut) aufgrund des erhöhten Blutverlustrisikos wird engmaschig kontrolliert.
In vielen Fällen wird bei einer Frau mit mehreren vorherigen Kaiserschnitten ein elektiver (geplanter) Kaiserschnitt für die Entbindung empfohlen, um das Risiko einer Gebärmutterruptur unter Wehen zu minimieren. Der Zeitpunkt der Entbindung wird dabei sorgfältig gewählt, oft etwas vor dem errechneten Termin, um das Einsetzen natürlicher Wehen zu vermeiden, aber gleichzeitig die Reife des Kindes zu gewährleisten. Die Operation selbst kann aufgrund von Verwachsungen anspruchsvoller sein und erfordert oft ein erfahrenes chirurgisches Team.
Ein Beispiel hierfür ist der Fall von Maria S., die nach drei unkomplizierten Kaiserschnitten für ihr viertes Kind erneut schwanger wurde. Ihr Gynäkologe riet zu extremer Vorsicht und einer sehr frühen Planung des vierten Kaiserschnitts, um jegliches Risiko von Wehen zu umgehen. Trotz des erhöhten Risikos verlief auch dieser Eingriff erfolgreich, was die Bedeutung einer individuellen und sorgfältigen Betreuung unterstreicht.
Umgang mit den Emotionen und der Realität
Für viele Frauen ist die Frage nach der Anzahl der möglichen Kaiserschnitte nicht nur eine medizinische, sondern auch eine zutiefst emotionale. Der Wunsch nach einer großen Familie kann mit der medizinischen Realität kollidieren. Es ist wichtig, diese Gefühle zu validieren und gleichzeitig die Notwendigkeit einer realistischen Einschätzung zu akzeptieren.
Die Entscheidung, keine weiteren Schwangerschaften mehr einzugehen, kann für manche Frauen schmerzhaft sein. In solchen Fällen kann psychologische Unterstützung oder der Austausch mit anderen betroffenen Frauen hilfreich sein, um die Situation zu verarbeiten. Auch wenn die Anzahl der Kinder, die eine Frau bekommen kann, durch die Anzahl der Kaiserschnitte begrenzt sein mag, gibt es viele Wege, ein erfülltes Familienleben zu führen. Dies kann die Adoption, die Pflegekindschaft oder einfach die Konzentration auf die bereits vorhandenen Kinder umfassen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine definitive Obergrenze für die Anzahl der Kaiserschnitte gibt, die eine Frau haben kann. Die medizinische Praxis legt jedoch nahe, dass nach dem zweiten oder dritten Kaiserschnitt die Risiken erheblich steigen und jede weitere Schwangerschaft und Geburt einer sehr genauen individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung unterliegen muss. Die Gesundheit und Sicherheit von Mutter und Kind stehen dabei immer an erster Stelle.